Boris hat Jehova gesagt
Am 28. April fand die—mittlerweile berüchtigte—von Prof. Susanne Schröter organisierte Konferenz zum Thema „Migration steuern, Pluralität gestalten“ statt, auf die gewisse Kreise schon frühzeitig ihre mit den Begriffen ihrer Holzsprache geladenen rhetorischen Kanonen gerichtet hatten. Bereits die Begriffe „steuern“ und „gestalten“ enthielten ja schon ein „rechtspopulistisch genutztes Bild“! Dabei war vieles von dem, was vorgetragen wurde, bereits reichlich bekannt. Und so soll hier nur auf eine kleinere Anzahl von Beiträgen näher eingegangen werden, bevor der große Knall behandelt wird.
Birgit Ebel, eine Lehrerin an einer integrierten Gesamtschule in Herford, einer Stadt, in der es eine große Salafistengemeinde gibt, berichtete über die Zustände an ihrer und anderen Schulen, über die Gewaltwendungen, die täglichen Beleidigungen der Lehrer, dem fehlenden Respekt der muslimischen Schüler gerade gegenüber den Lehrerinnen, die das allerdings zum größten Teil aus Angst ignorieren, die innere Kapitulation von Kollegen vor diesen Zuständen, das Wegducken der Schulleitungen usw. usw. An den „Schulen herrsche ein Klima der Angst“ und das Konzept der integrierten Gesamtschule sei gescheitert, da die alten Probleme der Hauptschulen „vollständig bei den Gesamtschulen“ gelandet seien. Das alles war schon bekannt – auch übrigens die vermeintlichen Lösungsansätze (mehr Budgets, bessere Sprachschulungen etc.). Lehrer von vergleichbaren Schulen berichten von ähnlichen Erlebnissen, ist es doch immer wieder die couragierte Birgit Ebel, die auf solchen Konferenzen auftritt. Anderen fehlt es wohl an der notwendigen Courage. In der Diskussionsrunde bekannte sie sich dazu Mitglied der Grünen zu sein… Zuvor hatte Herr Meidinger, Präsident des Lehrerverbands, über Studien berichtet (darunter eine IQP-Studie), die den katastrophalen Bildungsstand von Klassen mit einem hohen Migrantenanteil belegen, auch hier nichts Neues also.
Wie ein Solitär stand der Vortrag von Sandra Kostner von der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd über „Humankapitalbasierte Migrationspolitik“ im Raum. Dezidiert erläuterte sie anhand der Vorgehensweise Australiens, wie ein solcher Ansatz aussieht. Die australischen Behörden prüfen anhand festgelegter Kriterien, ob die Aufnahme eines Menschen, der nach Australien immigrieren möchte, für das Land einen Wert stiftet. In der Regel darf dieser Mensch nicht älter als 44 Jahre sein, sollte einen Beruf ausüben, für den in Australien einen Bedarf hat, gut Englisch sprechen und keine wesentlichen Krankheiten haben, was in aufwändigen Tests auch verifiziert werden muss. Aus derzeitiger deutscher Sicht klingt diese Vorgehensweise wie eine Utopie aus einer anderen Galaxie, sodass es weder die Organisatoren noch die Referenten gewagt haben, dies auf einen Bezug bzgl. der Erfordernisse in der BRD hin abzuklopfen. Gute Gründe haben sie dafür! Man fragt sich mit welchen Beleidigungen die vor dem Institut protestierenden Studenten die Australier beglücken würden, wo sie es doch bereits bzgl. der bei dieser Konferenz Anwesenden nicht unter „Nazi“ und „Rassist“ getan haben. Aber vermutlich wird Australien —wie Bali ein beliebter Urlaubsort bei Studenten—im Rahmen des etablierten Doppeldenkens einer gesonderten Betrachtung unterzogen.
Dr. Ralph Ghadban, Autor des Buchs „Arabische Clans. Die unterschätzte Gefahr“ hielt einen sehr sachlichen Vortrag zum Thema „Familienclan und Großfamilie“, in der er die historischen Ursprünge der Clans herausarbeitet, die in verschiedenen Städten Deutschlands als kriminelle Organisationen auftreten. Glaubt man Wikipedia, dann steht Ghadban infolge von Drohungen aus dem Clan-Milieu unter permanentem Polizeischutz!
Professor Thym, Prof. für öffentliches Recht an der Universität Konstanz hielt einen ebenfalls sachlichen Vortrag über die Grundlagen, auf denen Steuerungsmaßnahmen zur Migration basieren würden, Prof. Koopmans skizzierte seinen bereits bekannten Ansatz zur Organisation der Asylprozesse, der im Wesentlichen auf Rücknahmeabkommen mit den Ursprungsländern und der Durchführung von Asylverfahren in Drittstaaten (analog zu der Vorgehensweise Australiens) basiert. Die Problematik dieses Vorschlags ist allgemein bekannt, da es wohl kaum gelingen wird entsprechende Vereinbarungen mit Ländern wir dem Iran und Afghanistan zu treffen. Ferner würde Koopmanns Modell nicht für die Erstaufnahmeländer gelten, also auch nicht für die Türkei oder die Ukraine.
Wie gesagt, es war eine sehr sachliche, streckenweise auch etwas langweilige Angelegenheit. Gelegentlich unternahmen einige Teilnehmer Versuche, die Probleme unter die bekannten großen Teppiche zu kehren: Umdeutung der Integrationsprobleme als soziale Probleme, Gewalt durch Immigranten als eine Frage von Männergewalt im Allgemeinen etc. Doch diese Versuche waren nicht von dauerhaftem Erfolg gekrönt, da sie bekanntlich nur in einem linken Umfeld funktionieren. An einer Stelle schöpften die anwesenden Journalisten, allerdings Hoffnung, als sich nämlich ein Besucher der Tagung, der sich als AFD-Politiker outete, bei Frau Ebel erkundigte ob denn die renitenten muslimischen Schüler besser von männlichen Lehrern betreut würden, da sie einer Vaterfigur bedürften. Unter diesen Journalisten, die lediglich auf ein Skandälchen lauerten, begann ein erwartungsvolles Murmeln, und selbst die Moderatorin konnte sich ein „da bin ich mal auf die Antwort gespannt“ nicht verkneifen. Aber zur Enttäuschung der Nägel kauenden Journalisten gab Frau Ebel dem Fragesteller recht. Dann versank die Konferenz auf das alte, etwas eintönige Niveau. Die Vorträge der Herren Mansour und Weise enthielten wenig Neues.
Auftritt Boris
Dann wartete die Anwesenden auf Boris Palmer, der den Saal eigentlich schon betreten hatte, während des Vortrags von Prof. Koopmann diesen aber wieder verlassen hatte. Mit diesem fatalen Schritt entfaltete sich die Tragödie. Sie soll hier nur kurz skizziert werden, denn über diesen Strang der Ereignisse ist in den Medien bereits ausführlich berichtet worden. Man kann die volle Tragik der Ereignisse erst begreifen, wenn man sich die Stimmung der Demonstranten verdeutlicht. Sie machten keinen Hehl daraus, dass sie die Inhalte dieser Tagung als reine „Nazi-Propaganda“ ansahen, auf die „es kein Recht“ gebe. So waren dann auch die Teilnehmer per se Rassisten und Nazis. Auf einem Banner prangte ihr Credo: „Rassismus ist keine Wissenschaft“. Was sie von Susanne Schröter, Professor am Frankfurter Institut für Ethnologie und Organisatorin der Konferenz hielten, machten sie in ihrer schlichten Sprache ebenfalls unmissverständlich klar. Das oberste Stockwerk des Instituts zierte zudem ein Banner mit der Aufforderung „Schröter raus aus der Uni!“ (In welcher Geschichtsepoche unseres Landes hat man derartige Parolen schon einmal gehört?). Es war also offensichtlich, dass es sich bei den Demonstranten um solche Linke handelte, für die Rassismus bereits unmittelbar jenseits des Postulats vollständig geöffneter Grenzen, das eben keine, wie auch immer geartete, Steuerung der Migration zulässt, beginnt. Mit einer Gruppe, die unbegrenzte Aufnahme und selbstzerstörerische Offenheit als ein ethisches Absolutum ansieht, ist eine sinnvolle Diskussion unmöglich. Sie wird im Diskurs versuchen, ihre Kontrahenten durch ein Spinnennetz von Anschuldigungen, Beleidigungen und Lügen Fallen zu stellen. Daher sollte man mit solchen Linken jegliche Diskussion besser vermeiden. Contra principia negantem disputari non potest. Dies waren ziemlich exakt meine Gedanken an diesem Tag, als ich für einen kurzen Augenblick überlegte, mit den Demonstranten ins Gespräch zu kommen. Boris Palmer konnte dieser Versuchung nicht widerstehen. Und es kam genauso, wie es in solchen Situationen immer kommt. Natürlich wurde er aufs übelste beleidigt, was in der Wertung der meisten Kommentatoren übrigens ziemlich unterging, worauf er den Fehler machte über diese Beleidigungen sachlich diskutieren zu wollen. Beim Springen über die unzähligen Stöckchen, die ihm hingehalten wurden, verhaspelte er sich und nannte den Begriff, den man nach allgemeinen Glaubensstandards unter gar keinen Umständen nennen darf (Neger, das N-Wort also). Dass er darauf hinwies, diesen Begriff nur zur Nennung allgemeiner (historischer) Sachverhalte und nie gegenüber einer Person verwenden würde, das hätte er sich sparen können. Denn nun war die Katze aus dem Sack! In einem Land, in dem ein Großteil der Mainstream-Presse nicht mehr die Fähigkeit oder den Willen besitzen, eine Kontraposition zu diesen Bestrebungen der Sprachbereinigung einzunehmen, hatte er keine Chance mehr! Boris hatte Jehova gesagt! (Leben des Brian von Monty Python) Wenn er es dabei belassen hätte, dann hätten sich im Nachgang die Wogen vielleicht wieder halbwegs glätten können. Doch die Spirale drehte sich für Boris Palmer immer weiter hinab, denn nun beging auch Frau Schröter einen fatalen Fehler. Sie initiierte nämlich eine Diskussion über die Vorfälle vor dem Institutsgebäude. Anstatt es bei einer kurzen Schilderung zu belassen, beging Palmer einen weiteren Fehler: Er entschuldigte sich zwar allgemein für den Tumult, rechtfertigte jedoch seine Haltung recht ausführlich, wobei er wiederholt den ominösen Begriff nannte. Für Palmer ergibt es einen Unterschied, ob man das ominöse Wort zur persönlichen Beleidigung verwendet oder in einem allgemeinen Kontext verwendet, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Das war zu viel für eine Reihe von Referenten. Viele von Ihnen schienen durch die Begleitumstände der Konferenz ohnehin so verunsichert zu sein, dass sie mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck brachten, eigentlich eher links im politischen Spektrum zu stehen, etwa Herr Ostermann, seines Zeichens stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, und Ahmad Mansour. Sie waren es auch, die sich dann überdeutlich von Palmer distanzierten und den Raum verließen. Den Höhepunkt der (operettenhaften) Selbstzerknirschung bildete der Auftritt des Moderators. Er brachte mit gebrochener Stimme zum Ausdruck, wie unverzeihlich er das Verhalten von Palmer empfand, so dass er sich nicht mehr in der Lage sah, die Moderation fortzusetzen und mit Palmer überhaupt nichts mehr zu tun haben möchte. Ebenfalls Abgang—symbolischer Weise in Richtung der Demonstranten—, sodass Frau Schröter selbst die Moderation übernehmen musste. Dem nicht genug, beging Frau Schröter einen zweiten schweren Fehler, indem sie zwei der Demonstranten zu einer Diskussion hereinbat. Einer von ihnen, eine vermummte Frau („Maske runter!“-Rufe erklangen im Auditorium), ließ es bei der Erwähnung bewenden, dass man eine Aufnahme habe, wie Boris Jehova sagt. Was die andere Person von sich gab, war voller wirrer Angriffe gegen Boris Palmer, sodass es sich nicht lohnt darauf einzugehen. Dadurch wurde die Stimmung noch mehr angeheizt.
Als später die Videos von Palmers Diskussion mit den Demonstranten vor dem Institut im Netzt veröffentlicht wurden, offenbarte sich ein weiterer, diesmal fataler Fehler von Palmer. In die Enge gedrängt von Demonstranten, deren einziges Begehren war, ihn in eine Falle zu locken, indem sie ihn aufs schwerste beleidigten, verglich er deren Vorgehensweise, einen Menschen anhand eines einzigen Wortes auszugrenzen, mit dem Judenstern. Damit waren die Würfel gefallen und die Maschinerie der Holzsprache produzierte—wie nicht anders zu erwarten war— Gewaltiges. Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe Universität, sprach in seiner Stellungnahme von einer inakzeptablen Relativierung des Holocaust! Sicherlich war der Vergleich von Palmer unglücklich, aber in welcher Weise relativierte er den Holocaust? Man würde auch gerne erfahren, ob Schleiff der Ansicht ist, dass Palmer tatsächlich den Holocaust relativiert!
Wie konnte sich ein erfahrener Politiker wie Boris Palmer in all diese Fallen locken lassen? Was hat ihm um aller Welt nur dazu bewogen, zu glauben, einen Diskurs mit denen zu beginnen zu sollen, die nur auf Fallstellen aus sind, um den politischen Gegner zu vernichten. Palmer gehört wohl zu den hoffnungslosen Idealisten, die nicht wahrhaben wollen, dass die politische Diskussion im linken Spektrum der BRD mittlerweile weitgehend von Gesinnungsethikern bestimmt wird, Utopisten, die jeden Verweis auf die Grenzen der Machbarkeit als Verrat ansehen und mit der Nazikeule begegnen. Die pragmatische Weise eines Palmers gilt dabei bereits als anrüchig. Sein Buch „Wir können nicht allen helfen – Ein Grüner über Integration und die Grenzen der Belastbarkeit“ aus dem Jahr 2017 war deshalb über weite Strecken so eindrucksvoll, weil er nicht nur mit einer sehr positiven Einstellung an die Flüchtlingskrise heranging, sondern die aus dem „Wir schaffen das!“ resultierenden Probleme in wirklich pragmatischer Weise analysierte und Lösungsvorschläge erarbeitet. Besonders eindrucksvoll waren dabei die Abschnitte, in denen er sich mit den (bürokratischen) Herausforderungen bei der Schaffung neuen Wohnraums in seiner Stadt Tübingen auseinandersetzte. Palmer und seine Mitstreiter fanden Lösungen. In seinem Vortrag, den er trotz allem noch (erstaunlicherweise in sehr kontrollierter Weise) abhielt, klang viel Verbitterung an. Er musste resümieren, dass der gesamte Wohnraum der in den letzten Jahren von öffentlicher Hand geschaffen wurde, komplett für Flüchtlinge aufgewendet wurde, die Tübingen zugewiesen wurden. Menschen, die ihn nach einer Sozialwohnung ansprächen, müsse er mittlerweile den Rat geben, in der Schwäbischen Alb zu suchen. Es gebe auch keine Erzieher, Lehrer, Landärzte mehr, die man einstellen könnte, um die Migranten halbwegs sinnvoll zu betreuen bzw. integrieren. Entscheidungen seien notwendig, um das allgemeine Niveau abzusenken. Soviel also zum Thema „Niemanden wird etwas weggenommen!“. Seien wir einmal ehrlich: All dies sind heute doch schon Positionen, mit denen man mit Linken nicht mehr sinnvoll diskutieren kann, schon gar nicht mit den Demonstranten dieser Konferenz. Herr Palmer hat mittlerweile angekündigt, aus seiner Partei auszutreten und sich etwas zurückzuziehen, um in sich zu gehen. Dabei sollte er zu der Erkenntnis kommen, dass ihn nichts mehr verbindet mit jenen, die seit langem schon durch ihre Gesinnungsethik gelähmt sind. Den Austritt hätte er längst vollziehen sollen! Nun steht er als Paria im Grünenstaat da.
Tragisch auch die Position von Frau Schröter. Es wird wohl ihre letzte Konferenz an der Uni Frankfurt gewesen sein. Ja, tragisch: Zwei Gescheiterte, die sich aufrichtig und mit den besten Absichten für ihr Land einsetzen, nun aber durch primitive Fallenstellerei zu Fall gebracht wurden. Ein Sinnbild für die BRD des Jahres 2023.
Dieser Artikel ist bereits am 3.5.2023 unter dem Titel "Die Konferenz hinter dem Palmer-Eklat" auf der Achse des Guten erschienen. (Link)
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