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Mein Abschied von der Bayerischen Staatsoper


Es begann harmlos mit der Abbestellung eines regelmäßigen Rundschreibens (In meiner Email habe ich den Begriff Newsletter verwendet aus Furcht, dass den Empfängern der Begriff Rundschreiben unbekannt ist.) Zu meiner Überraschung erhielt ich daraufhin eine nichtssagende Antwort, die aber in diesem Fall bemerkenswert war, weil sie mit ihrer Inhaltsleere ein Paradebeispiel für die Holz- oder Betonsprache ist, die von Kulturinstituten und ähnlichen Institutionen verwendet wird, um ihre politische Agenda in die Gesellschaft reinzudrücken. Hier also der kurze Briefwechsel mit ein paar Erläuterungen.



Sehr geehrte Damen und Herren, habe soeben Ihren Newsletter abbestellt, da ich es nicht ausstehen kann, wenn man die deutsche Sprache gendert. (Ich lese grundsätzlich keine „gegenderten“ Texte.).

Grüße an Ihren Gender-/Gleichstellungswart.

Alles Gute!


Sehr geehrter Herr Fischer,

haben Sie besten Dank für Ihre Nachricht. Es ist uns ein Anliegen, mit Ihnen darüber ins Gespräch zu kommen.

Wir bedauern sehr, wenn Sie den Newsletter der Bayerischen Staatsoper aufgrund der Verwendung geschlechtergerechter Sprache nicht mehr erhalten möchten.

Die Bayerische Staatsoper hat sich bewusst für den Gebrauch einer geschlechtergerechten Sprache in ihren Publikationen, auf der Webseite und auch in der Kommunikation mit dem Publikum entschieden. Die gendergerechte Sprache drückt eine Wertschätzung der Vielfalt unserer Gesellschaft aus - ein Anspruch, dem wir uns als staatliche Institution verpflichtet sehen. Die deutsche Sprache bietet eine Fülle an Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren. Es gibt dafür hierfür laut Duden allerdings keine Norm.

Wir haben Verständnis, wenn Sie sich an den gendergerechten Formulierungen in unserer Kommunikation stören. Schließlich ist das Abweichen von alten Gewohnheiten anfangs immer eine Umstellung. Die Bayerische Staatsoper hat sich dafür entschieden, Sprache zu verwenden, von der sich alle angesprochen fühlen können. Sprache ist und war schon immer dynamisch und unabhängig davon, ob sich das Gendern durchsetzen wird oder nicht, konnten wir damit eine Debatte anregen und auf Ungleichheiten in unserer Gesellschaft aufmerksam machen. Insbesondere die Kultur- und Kunstszene bietet einen Raum für Neues oder Anderes, das nicht unbedingt allen gefallen muss.

Mit freundlichen Grüßen, xxx, Bayerische Staatsoper


Guten Tag,

nett, dass Sie mich wie einen schwer erziehbaren Zögling behandeln, der nur etwas schwer von Begriff ist. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich jedoch nicht der Auffassung, dass sich dieser Orwell'sche Neusprech langfristig durchsetzen wird. Je mehr ich damit konfrontiert bin, desto mehr lehne ich ihn ab (wie übrigens 80% aller Deutschen allen Umfragen zufolge; Tendenz wachsend)!

Ihre Email ist ein wunderbares Beispiel für die Betonsprache (im Französischen „Langue de bois“). Somit versuche jetzt nicht mit Ihnen zu diskutieren (es wäre vermutlich zwecklos), sondern füge ein Video bei, das über die grundlegendsten Schwachpunkte dieses „Sprechs“ informiert. Vielleicht schauen Sie es sich einmal an und beginnen diese unsinnige Sprechform selbst einmal zu hinterfragen.

Ich wünsche Ihnen jedenfalls alles Gute! Die Bayerische Staatsoper wird sicher auch ohne mich auskommen!

Beste Grüße, Dr. Bernd Fischer



Anmerkungen

Die Historie der Beschreibung und Erforschung der Betonsprache ist sehr vielfältig. Wer sich damit beschäftigen möchte, dem sei das Buch von Christian Delporte, Une histoire de la langue de bois, Flammarion, 2009, sehr ans Herz gelegt. Es ist allerdings nur in der originalen Version, also auf Französisch, erhältlich, wie die Befassung mit dieser Sprachform generell einen Schwerpunkt in Frankreich zu haben scheint. In diesem Fall ist auch der Wikipedia-Eintrag sehr hilfreich. Dort wird die Nutzung der Betonsprache wie folgt definiert: „Diese Art der Kommunikation wird dazu genutzt, Unwissenheit zu verstecken oder Auseinandersetzungen über Sachthemen zu umgehen, indem mithilfe von abstrakten und pompösen Ausdrücken Banalitäten verkündet werden. Es handelt sich dabei weniger um den Versuch, die Zuhörenden mit der eignen Redegewandtheit zu beeindrucken, sondern um eine Strategie, die es ermöglicht, Themen oder Fragen auszuweichen, indem man inhaltlich schweigt, aber trotzdem spricht.“ Es ist die Sprache totalitärer Regime. Die Sprachen kommunistischer und faschistischer Regime sind wohl die wichtigsten Beispiele. Sie werden im Buch von Delporte eingehend behandelt; ebenso natürlich George Orwells Neusprech aus dem Roman 1984.


Die E-Post der Bayerischen Staatsoper ist ein gutes Beispiel für Betonsprache, wie sie im Zusammenhang mit der Gendersprache verwendet wird. Man möchte mit mir ins Gespräch kommen! In Wirklichkeit will man mich zum rechten Glauben bekehren, wie die Missionare die Eingeborenen Südamerikas bekehrt haben! Man habe sich „bewusst“ für die Gendersprache entschieden. Dies ist eines dieser Scheinargumente, wie man sie in ähnlicher Weise öfters geboten bekommt. Eine beliebte Variante (nennen wir sie die Saulus-Paulus-Variante) lautet: „Erst war ich ja dagegen, doch dann…“ Dies soll natürlich den Eindruck einer intensiven sachlichen und objektiven Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex vortäuschen.

Der Kern dieser hochtrabenden Deklarationen basiert im Wesentlichen (wie immer in solchen Fällen) auf der gebetsmühlenartigen Wiederholung des Terminus „geschlechtergerechte Sprache“. Dieser hat die Funktion eines Betonriegels, der zum einen demonstriert, wie unangreifbar man die eigene Position erachtet, und zum anderen dem „Heiden“ (also dem, der diese „Fülle an Möglichkeiten geschlechtergerecht zu formulieren“ in Gänze ablehnt) signalisiert, wie wenig Interesse man an einem wirklichen Diskurs hat. Aber man streckt ihm auf tantenhafte Weise die versöhnende Hand entgegen: „Wir haben Verständnis, wenn Sie sich an den gendergerechten Formulierungen in unserer Kommunikation stören. Schließlich ist das Abweichen von alten Gewohnheiten anfangs immer eine Umstellung.“ Anfangs! Danke, liebe Staatsoper, dass Du mir Erlösung in Aussicht stellst!

Schließlich, auf welche „Ungleichheit“ will man überhaupt aufmerksam machen? Man spricht es nicht aus, da man dann natürlich zugeben müsste, dass der ganze Sprachklamauk auf einer Fehldeutung des sog. „generischen Maskulinums“ basiert. Man schweigt inhaltlich, spricht aber dennoch…



Dieser Briefwechsel und die Erläuterungen wurden auch in den Sprachnachrichten IV/2022 des Vereins Deutsche Sprache veröffentlicht.

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